Wie alles begann
Hallo an alle zukünftigen Austauschschüler, Ehemalige und Gegenwärtige! Mein Name ist Ann-Kathrin Rohardt (fuer Freunde auch Aki und hier einfach nur Ann), ich bin 16 Jahre alt und eigentlich würde ich jetzt in der 11. Klasse des Gymnasiums sein. Bevor das allerdings geschah, hat mich das Fernweh und die Abenteuerlust gepackt und ich habe mich entschieden, das 11. Schuljahr hier in den USA zu verbringen - im Schüleraustausch. Nach knapp drei Monaten hier wollte ich euch mal ein kleinen Einblick geben, wie das Leben bei mir von kurz vorm Abflug bis zum 1. Schultag aussah.
Eine Überraschungsparty für Aki
Denn mit dieser Party gings nun wirklich in die heisse Phase, obwohl ich um ehrlich zu sein noch gar nicht aufgeregt war, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich in genau einer Woche schon in den USA sein sollte. Deswegen war alles für mich ein ganz normaler Sommerferientag: ich spielte draussen mit meiner Schwester Federball, später sollte ich einen Tanzauftritt mit meiner Gruppe haben und vorher, schlug mein Papa vor, sollten wir doch noch eine kleine Runde mit seinem Motorrad drehen. Gesagt getan und nach etwa einer halben Stunde Fahrt bog er auf eine Wiese und direkt in eine darauf stehende Scheune ein!!! "Was soll denn das???" hab ich mir noch gedacht, bevor wir mit Trompeten, Luftballons und einer Menge Konfetti begrüsst wurden. sämtliche Freunde und Verwandte hatten hier eine Überraschungsparty für mich organisiert und ich habe alle einmal ganz feste umarmt! Im Laufe des Abends musste ich dann als Indianer verkleidet Country Road singen (wie ihr ja alle wisst verbindet man Tennessee mit Country Music), es wurden zwei kleinere Theaterstücke aufgefuehrt, bei denen ich mehr oder weniger stark blamiert wurde und meine Tante versuchte, uns beizubringen, Line Dance zu tanzen. Um halb vier Uhr morgens bin ich dann todmüde ins Bett gefallen.
Noch vier Tage bis zum Abflug
Die letzten Tage zu Hause habe ich noch einmal sehr genossen. Eine sehr gute Freundin, deren Eltern noch im Urlaub waren, zog bei uns ein und wir hatten neben dem ganzen Kofferpackstress noch eine Menge Spass. Doch als meine Mama mir als Abschiedsgeschenk von ihr meinem Papa und meiner Schwester Friede eine Schatztruhe gab für alle meine kleinen Schätze mit einer Karte und einem echt schönen Spruch drinnen musste ich doch fast weinen. Der Spruch ist ein Reisesegen und obwohl ich von dem Glauben an Gott nicht so ueberzeugt bin bin so gefällt er mir doch ganz gut und wird auch für andere sehr hilfreich sein: "Wer einen Ankerplatz hat, dessen Schiff wird auch auslaufen. Kein Hafen ist denkbar ohne die Weite des Meeres. Nun drängt die Zeit zum Abschied, unbamherzig - egal, ob deine Zeit hier mit Tränen und Schmerz oder Leben und der Freundlichkeit Gottes gefüllt war. Ich will dir nicht zu viel Segen auf den Weg geben. Du weisst, keine Route hält nur gutes Wetter bereit. Du wirst Sonnenlicht spüren und wütende Gischt. Denn untrennbar hat das Leben beides gemischt: Menschen und Erlebnisse, die du dir wünscht, mit Unerbetenem, Unerfreulichem, dass dich straucheln, stürzen, kämpfen lässt, aber auch stärker, getröstet und mutiger macht". Das ist noch nicht alles, aber für mich schonmal das wichtigste und auch der Spruch, der auf der Karte stand, ist es wert, im Kopf zu behalten: "Und plötzlich weisst du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu Vertrauen!" Ruckzuck waren dann auch schon bald alle Koffer gepackt und er letzte Abend war da. Meine drei besten Freunde (die 4. war leider schon früher in die Ferien gefahren und eine davon, Franzi, lebte ja sowieso schon bei uns) kamen und wollten mich am nächsten Tag zum Flughafen begleiten. Wir machten eine Verabschiedungsrunde durchs Dorf und als wir nach einem längeren Schwatz bei einer sehr gut befreundeten Familie aufbrachen und diese mich alle ganz fest in den Arm nahmen, musste ich schon kräftig schlucken Ebenso bei der Verabschiedung meines "Goldstücks", unser Pony Gismo. Anschliessend spielten wir bis zum Dunkel werden Volleyball und ich wünschte mir, die Zeit würde jetzt stehen bleiben. Warum auch nicht? Ich hatte meine besten Freunde und meine Schwester hier im tollsten Dorf der Welt und morgen sollte es nach Amerika gehen. So war es doch wunderbar! Da die Zeit es aber so an sich hat, einfach weiterzulaufen, standen wir am nächsten morgen nach eineinhalb Stunden Schlaf um drei Uhr wieder auf und starteten um eine Stunde später in Richtung Airport Hamburg wo mein Flieger um 7:30 nach Frankfurt starten sollte.
Tränen am Hamburger Flughafen
Nach einer laengeren Wartezeit, die wir mit Quatschen, Einchecken und den Airport Erkunden verbrachten, umarmte ich meine Familie und Freunde und es ging nichts mehr. Franzi ("du bist so schlecht!"), meine Schwester und ich haben geflennt wie die Schlosshunde und ich habe alle ein letztes Mal ganz fest umarmt! Hinter der Absperrung drehte ich mich ein letztes Mal um, winkte und es wurde immer schlimmer. Heulend und mit der Gewissheit, dass es mir vollkommen egal ist, was alle anderen denken, bin ich zu meinem Flieger nach Frankfurt gelaufen. In Frankfurt hatte ich meine Emotionen soweit wieder unter Kontrolle und sass schliesslich nach einer hammerharten Sicherheitskontrolle in der Maschine nach Charlotte/North Carolina. Was macht man so während neun einhalb Stunden Flug? Ich persönlich habe Musik gehört, Filme (drei an der Zahl!!!) geguckt, geschlafen oder mit meinem Sitznachbarn geschnackt. In Charlotte angekommen war ich doch ein bisschen nervös. ganz alleine sollte ich den Zoll hinter mich bringen, meine Koffer vom Rollband nehmen und diese neu einchecken. Da ich aber ein pfiffiges Kerlchen bin, habe ich das ohne Probleme überstanden und hatte nur eine kleine Schwierigkeit, indem ich die falsche Richtung zum Gate eingeschlagen habe. Schnell Hemmungen überwunden und einen Beamten gefragt und dann ab zum Flieger nach Knoxville/Tennessee.
Ankunft in Knoxville
New friends at school "Ann???" mit genau diesem "Satz" und einer grossen Umarmung wurde ich von meiner Gastoma Joyce begrüsst, die mich zusammen mit der kleinen Tochter der Nachbarn abholte. Wir holten meine Koffer und schon bald sassen wir im Auto und fuhren in Richtung New Tazewell, meiner Heimat auf Zeit. Alles zog nur so an mir vorbei. Wir haben uns über Deutschland, mein Jahr hier und alles mögliche unterhalten und ich war wegen der Hitze und der Reise doch ziemlich geschafft.
Erster Abend und erste Woche
"Zu Hause" angekommen, begrüsste ich meine "Gastmum", doch da diese unten im Haus wohnt, habe ich eine weitaus innigere Beziehung zu Joyce, bei der ich oben wohne. Wir wohnen in einer kleinen Neighborhood, ziemlich ländlich ausserhalb der Kleinstadt Tazewell. In den USA gibts übrigens keine Dörfer. Städte sind in Neighborhoods aufgeteilt, was uns Deutschen wohl ein wenig wie ein Dorf erscheint. Gastgeschwister habe ich keine, doch da unsere Nachbarn zwei jüngere und zwei ältere Kinder haben, ist das kein Problem fuer mich. Den ersten Abend haben wir uns weiterhin ein wenig unterhalten, ich habe Fotos gezeigt und die Gastgeschenke verteilt. Hunger hatte ich nach der langen Reise keinen und ging um 10pm Ortszeit ins Bett. Ich war über 24 Stunden auf den Beinen gewesen und irgendwie konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass dieses fremde Zimmer jetzt zehn Monate meins sein sollte. In diesem Moment wollte ich nur noch nach Hause. Da das nicht möglich war, nahm ich das einzig familiär wirkende in den Arm, ich gebs zu es waren Kuscheltiere, und schlief bis 12 Uhr Mittags am nächsten Tag. Bis zum 1. Schultag verbrachte ich meine Zeit hier ein wenig wie Urlaub. Ich lag am Pool, ging schwimmen und wurde richtig schön braun!
Erster Schultag im Austauschjahr
Mein 1. Schultag in meinem Schüleraustausch war zwei Tage, nachdem ich meine Fächer, nämlich US-History, Biology 2, French 2, English 3, Advanced Maths und Spanish 1 gewählt hatte. Diese Fächer sollte ich jeden Tag in der selben Reihenfolge haben, unterbrochen von der halbstündigen Lunchbreak. Als Joyce mich an jenem Tag vor der Schule absezte und wegfuhr hab ich mir nur gedacht: "Oh Gott sie lässt dich hier wirklich ganz alleine!", habe tief durchgeatmet und bin mutig rein gegangen. Nach einer kurzen Führung sass ich im Unterricht und es stellte sich heraus, dass alle Schüler hier total freundlich und aufgeschlossen sind. ich habe gleich eine Gruppe für die Lunchbreak gefunden und einige gute Freunde. Dann spiele ich jeden Tag nach der Schule eineinhalb Stunden Volleyball, wenn wir nicht gerade ein Game haben. Und anschliessend muss ich wohl oder übel Hausuafgaben machen.
Kleinere Probleme und Heimweh
Auch wenn ich schon echt schwierige Phasen hier habe - z.B. haben wir angeblich schon etwa fünf Reitmöglichkeiten für mich gefunden und alle sind fehlgeschlagen. Nach so vielen Enttäuschungen ist man gerade als absolute Pferdeverrückte ein bisschen sehr down, aber ich glaube ganz fest, dass wir noch Pferde für mich finden. An dieser Stelle nochmal ein Spruch von einer Karte, die ich von zu Hause bekommen habe und einigen garantiert helfen wird genau wie mir: "Gelassenheit, Humor und Zuversicht verwandeln grosse Sorgen in kleine, kleine in winzige und die winzigen lösen sich schliesslich in Luft auf!" Dann hatte ich kleinere Probleme wegen meiner Gastmum oder einfach nur Heimweh. Viele sagen bei Heimweh auf keinen Fall zurückziehen sondern darüber mit der Gastfamilie reden. Ich habe vorher gedacht, dass das ganz easy ist und jetzt festgestellt, dass ich nicht einfach zu Joyce gehen kann und sagen "I'm homeisck!" Das habe ich ihr gebeichtet und sie akzeptiert es, wenn ich mich mal zurückziehe und anfange, mit Dino und Gismo (Insider wissen, wer hier gemeint ist) rede oder eine lange Email nach Hause schicke. Auch wenn gesagt wird, es hilft nicht. Mir hilfts ungemein, denn genauso wie es keine Anleitung gibt, wie das Jahr ein Erfolg wird, genauso wenig gibts eine Anleitung, vom Heimweh loszukommen! Doch das Heimweh kommt nur selten und geht schnell vorbei. ich bin froh und stolz, dass ich diesen Schritt gewagt habe und rate jedem, dasselbe zu tun!
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