Jan G. Saeger | 1989/1990 | USA / New York

Interview im November 2002. Jan G. Saeger verbrachte vor nunmehr 13 Jahren sein Schuljahr in Rochester und schrieb eine Arbeit zum Thema Deutsch-Amerikanischer Schüleraustausch. Er lebt und arbeitet heute als PR- und Unternehmensberater in Erlangen und blickt im Gespräch mit Sylvia Schill auf seine Erlebnisse als Austauschschüler zurück.

Sylvia Schill: Jan, Du bist Autor einer Studie mit dem Titel "Deutsch-Amerikanischer Schüleraustausch - Frühe Intention und heutige Wahrnehmung" und berichtest darin über Schüleraustausch. Wie kamst Du auf die Idee, diese Arbeit zu schreiben?

Jan G. Saeger: Das Thema Schüleraustausch hat mich seit meinem eigenen Austauschjahr nicht mehr losgelassen - im positiven Sinn. Seit meiner Rückkehr habe ich als Ehemaliger bei vielen Vorbereitungsseminaren meiner Austauschorganisation mitgemacht. Schließlich habe ich dann drei Jahre lang selbst Seminare geleitet. Die "stories", die ich bei diesen Seminaren hörte, und die ich ja teils auch selbst erlebt habe, wollte ich dann auch einmal wissenschaftlich unter die Lupe nehmen. Ich habe Amerikanistik studiert, und mein Professor war selbst einer der ersten Austauschschüler. So war es sozusagen eine Selbstverständlichkeit, dass ich mich in der Abschlussarbeit mit der Geschichte des deutsch-amerikanischen Austausches auseinandersetzte. Dazu habe ich die letzten drei Jahrgänge ausführlich befragt und die Ergebnisse dargestellt. Es ist wirklich ein spannendes Thema: persönlich als ehemaliger Austauschschüler ohnehin, aber auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive.

Wie siehst Du Dein Jahr in den Staaten heute, nach 13 Jahren?

Trotz - oder vielleicht gerade wegen - der Schwierigkeiten, die ich hatte, war es eine großartige Erfahrung. Einiges von dem, was ich erlebt habe, konnte ich aber erst später wirklich einordnen. Insofern gibt es selbst heute, so lange nach meiner Rückkehr, noch Situationen, die einen starken Bezug zu meinem Austauschjahr haben. Ich merke, dass viele meiner Einstellungen und Sichtweisen stark von der Highschool und der Gastfamilie geprägt sind. Die "Erziehung", die man da erfährt, scheint irgendwie ziemlich intensiv hängen zu bleiben. Gerade in der Schule habe ich viel "für's Leben" gelernt, wie es so schön heißt.

Du lebst heute in Erlangen und hast beruflich mit den USA zu tun. Wie hat das Schuljahr Deine privaten und beruflichen Pläne beeinflusst?

Da gibt's ein gutes Beispiel: Die Wiedervereinigung Deutschlands habe ich nur auf CNN sehen können, und das werde ich wohl nie vergessen. Diese Situation war auch einer der Gründe, weshalb Medien und Kommunikation im Studium ein große Rolle spielten. Dass ich Amerikanistik studieren würde, hat sich zwar erst mit etwas Verzögerung herausgestellt, aber diese Entscheidung ist natürlich stark von meinem persönlichen Interesse an den USA geprägt. Die Journalistik ergänzte das dann sehr passend. Ich habe aber im Privaten nie alles kritiklos und uneingeschränkt für gut und richtig gehalten, bloß weil es aus Amerika kommt. Inzwischen arbeite ich als Berater für Unternehmen, die im USA-Geschäft aktiv sind oder es werden wollen. Das ist sozusagen eine weitere positive Langzeitfolge meines Jahres.

Kannst Du Dir vorstellen, später in den USA zu leben?

Ja und nein. Jedes Mal, wenn ich geschäftlich in den USA bin, erlebe ich, was ich an Deutschland vermisse. Und hier in Deutschland denke ich oft, dass man dieses oder jenes lieber "amerikanisch" machen sollte. Insofern wäre meine Idealvorstellung, Pendler zwischen diesen beiden Welten zu sein und von beiden Ländern die Vorteile zu verknüpfen. Für eine gewisse Zeit in den USA zu leben hat ja schon gut geklappt, und ich würde es jederzeit gern wieder tun. Auch wenn das Arbeitsleben in Amerika natürlich sehr anders ist als das Dasein als Austauschschüler.

Hast Du heute noch Kontakt zu Deiner Gastfamilie?

Ja: Ich war bereits mehrmals bei meiner zweiten Gastfamilie, zum Beispiel zu Thanksgiving und zur Hochzeit einer meiner Gastschwestern. Und jedes Mal ist es, als wäre ich nie weggewesen. Da heißt es dann auch mal "Hi Jan, wie war Dein Flug? Essen steht im Kühlschrank, wie üblich. Kommst Du nachher mit ins Kino?" Also alles so wunderbar normal. Der Kontakt zwischen den Besuchen ist nicht sehr häufig, etwa zweimal im Jahr, aber jedesmal herzlich und schön. Ich rufe zum Beispiel immer genau zum Kick-Off beim Superbowl an. Niemand außer mir darf sich das herausnehmen, und es ist immer ein Riesenspaß. Aber auch zu meiner ersten Gastfamilie und deren Nachbarn habe ich noch Kontakt. Ich schaue einfach auf einen Kaffee vorbei, wenn ich zu Besuch bei meiner anderen Familie bin.

Welchen Tipp gibst Du Schülern mit auf den Weg, die jetzt ein Schuljahr im Ausland planen?

Sich wirklich drauf einlassen, in den USA zu sein! Seit meinem Aufenthalt sind Telefongespräche deutlich billiger geworden, und E-Mails sind heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Aber oft zu schreiben oder zu telefonieren raubt nicht nur Zeit, die man besser mit der Gastfamilie, mit Freunden oder für Aktivitäten in der Highschool nutzen kann. Es hält einen auch davon ab, wirklich komplett "da zu sein". Es ist also, als stünde man mit dem Rücken zu seiner amerikanischen Umgebung, während man sozusagen den Blick und die Aufmerksamkeit zu sehr nach Deutschland richtet. Oft spielt hier auch eine Erwartungshaltung der deutschen Freunde und der "echten" Familie eine Rolle. Austauschschüler ist ein full-time Job, und man sollte sich auf ihn konzentrieren. Und wenn man wiederkommt, kann man stundenlang seine Erlebnisse schildern und bekommt kein "das weiß ich doch schon alles" zu hören. Das ist doch auch nicht schlecht!

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