Philipp (aus Bad Sachsa) | 2002/2003 | Frankreich / Grenoble und Pont a Mousson

Die Idee

Es ging alles damit los, dass ich aus der Schule zurück kam und mir Gedanken darüber machte, was ich eigentlich Sinnvolles mit meinem Leben anfangen will. Ich war gelangweilt vom immer gleichen Tagesablauf und wollte einfach mal was Neues erleben. Also entschloss ich mich spontan, für ein Schuljahr in die USA zu gehen. Diese Idee eines Schüleraustauschs sollte aber nicht so einfach umzusetzen sein. Natürlich hatte ich in meinem Kopf alles schon tausend Mal durchgespielt und es konnte einfach nichts schief gehen, um meine Eltern davon zu überzeugen. Also überraschte ich sie am Wochenende mit meiner Idee und wie sollte es auch anders sein, war die Antwort "Nein". Nachdem ich dann drei Tage pausenlos auf meine Eltern eingeredet hatte, machte mir mein Vater den Vorschlag, nach Frankreich zu gehen. An Frankreich hatte ich aber überhaupt nicht gedacht! Ich wollte in die USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Französisch habe ich im Unterricht stets gehasst, aber ich hielt es für besser, mich einfach mal drauf einzulassen, anstatt mich hier weiter für Jahre zu langweilen, und bewarb mich bei einer Organisation.

Die Bewerbung

Nachdem ich mich für mein Austauschjahr beworben hatte, wurde ich sofort nach Berlin eingeladen, um mich vorzustellen. Dort angekommen, traf ich noch fünf Schüler, die aber alle in die USA gehen wollten. Nachdem ein netter Herr, der wohl extra für mich eingeladen war, um mich zu testen, ankam, stellte er mir gleich ein paar Fragen auf Französisch. Außerdem gab er mir ein Blatt, auf dem ich beschreiben sollte, wieso ich nach Frankreich will. Konnte ja keiner da ahnen, dass ich eigentlich gar nicht dahin wollte, aber trotzdem fiel mir auf einmal irgendetwas ein, um das Blatt zu füllen. Nach einer zweistündigen Unterhaltung bin ich erstmal in den Urlaub geflogen und habe gar nicht mehr daran gedacht. Wieder in Deutschland angekommen, lag ein Brief auf meinem Schreibtisch, dass ich angenommen war. Ein paar Tage später folgte der Brief mit meiner Gastfamilienadresse.

Los geht´s

Der Tag war gekommen, an dem ich endlich abreisen durfte. Am Flughafen Hannover traf ich noch ein paar andere, mit denen ich zusammen nach Frankreich flog. An die ganze Sache bin ich ganz locker rangegangen. Jeder, der dort war, konnte fast schon fließend Französisch sprechen und ich fast gar nichts, aber das war mir egal. Man kann ja alles noch lernen. In Paris angekommen, stand ich am Flughafen, aber meine Koffer kamen nicht an. Jetzt musste ich in meinen ersten fünf Minuten in Frankreich jemandem erklären, dass ich meine Koffer verloren hatte. Die netten Pariser fanden das ganz komisch und lachten sich über mein Französisch kaputt. Ich nahm es mit Humor und meine Organisation bezahlte mir erstmal das Hotel. Am nächsten Tag lagen die Koffer vor der Tür und ich nahm den Zug zu meiner Gastfamilie. Dort angekommen, holte mich eine 30jährige Frau mit drei Kindern ab, die sich als meine Gastmutter vorstellte.

Gastfamilien

Hier fasse ich mich kürzer, weil ich sonst drei Seiten füllen würde. Die erste Gastfamilie lebte in einem Haus mit vier Zimmern für fünf Personen. Als ich dort eintraf, kam mir das schon komisch vor. Meine Organisation fand zunächst keine Schule für mich. Nach zwei Wochen kam ein Anruf, dass ich die Gastfamilie wechseln solle, da in der Region in der ich zurzeit lebte, kein Platz mehr in einer Schule gefunden werden konnte. Also wechselte ich nach Grenoble, wo es für die nächsten fünf Monate richtig gut lief. Meine zweite Gastmutter war Ärztin und sehr freundlich. Sie hatte einen Sohn in meinem Alter und eine Tochter, die 13 Jahre alt war. Ich konnte kein bisschen Französisch, trotzdem kümmerten sich alle liebevoll um mich. Mit meinem Gastbruder verstand ich mich perfekt und mein erster Schultag stand bevor.

Die Schule

In der Schule angekommen, die ganz neu und modern war, kam ich erstmal in die Klasse und setzte mich neben meinen Gastbruder. Natürlich fragten ihn gleich alle, wer ich sei und er erklärte es ihnen. Jeder fand es genial, dass ich in die Klasse gekommen war. Im Französischunterricht musste ich an die Tafel und mich noch mal vorstellen. Damit verbrachte ich dann eine ganze Stunde und unterhielt mich mit allen. Ich war überglücklich, dass ich mich mit allen gut verstand, was auch die Lehrer bewunderten. Hier mal ein kleiner Tipp: Ihr müsst offen auf alle zugehen, wenn ihr ankommt. Seid nicht schüchtern und sprecht am Besten erstmal jeden und jede an, um Kontakte zu knüpfen. Am Ende des ersten Tages traf ich noch mit dem süßesten Mädchen der ganzen Klasse zusammen und fand, dass es nicht besser hätte laufen können. Gleich mit allen gut verstanden und eine Freundin gefunden - so hatte ich mir den ersten Schultag nicht vorgestellt. Es folgten dann allerdings fünf Monate, in denen es immer wieder Probleme mit Freundinnen oder Lehrern gab. Schließlich musste ich zum Schulleiter. Der meinte, ich sollte keinen schönen Deutschen spielen, der mit allen Mädchen ausgeht, sondern für die Schule lernen. Ich gebe es zu: Ich war nicht das beste Beispiel für einen Austauschschüler, sondern habe die ganze Zeit Partys gefeiert und sehr wenig für die Schule gemacht. Ich mochte es einfach, so bekannt zu sein und wie ein Star (so dumm es klingt) angesehen zu werden. Am Besten, ihr macht es nicht wie ich. Amüsiert euch, vergesst aber trotzdem nicht, dass ihr auch für die Schule lernen müsst. Es ist immer schön, viele Freunde und Freundinnen zu haben, aber unsere Eltern haben eine Menge für dieses Jahr bezahlt und erwarten nicht, dass wir die ganze Zeit feiern. Französisch hatte ich in den paar Monaten schon sehr gut gelernt und konnte fließend sprechen, nur mit dem Schreiben haperte es noch.

Kleinere Probleme

Es kam immer wieder mal zu Schwierigkeiten in meiner Gastfamilie, da mein Gastbruder und ich viel Mist bauten. Schließlich meinte meine Gastmutter, ich solle mir besser eine andere Familie suchen. Wir gingen im Guten auseinander, aber ich musste wieder in eine ganz andere Region wechseln. Mit den Leuten aus Grenoble habe ich noch sehr guten Kontakt und fahre in zwei Wochen wieder hin, um sie zu besuchen. Meine neue Stadt hieß Pont a Mousson, was ich vorher noch nie gehört hatte. Da sollte meine letzte Gastfamilie sein und die war wirklich perfekt für die letzten drei Monate. Es war immer was los. Meine Gastschwester ging mit mir in eine Klasse und ich fand gleich wieder Freunde sowie eine Freundin und wurde bekannt an der Schule. Sogar die Lehrer mochten mich dort, was ich bis heute bei meinen Leistungen nicht ganz verstehen kann. Aber da ist wirklich alles bis auf meine schulischen Probleme perfekt gelaufen und in einer Woche fahre ich wieder hin, um meine Freundin endlich wieder zu sehen.

Es lohnt sich

Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Eindruck vermitteln. Macht euch vor der Abreise einfach keine Gedanken und lasst alles auf euch zukommen. Es gibt immer wieder kleinere Probleme, aber seid offen und geht auf alle Leute zu. Habt Spaß, aber lernt auch für die Schule und respektiert am Besten die Regeln eurer Gasteltern.. Ihr wollt sicher nicht nach fünf Monaten die Region wie ich wechseln, all eure Freunde verlieren und wieder ganz von vorne anfangen. Ich habe es mir nie im Leben so gut vorgestellt und hatte ein ganzes Jahr nur Spaß. Die Sommerferien 2003 verbringe ich noch hier, aber in 2 Monaten gehe ich wieder für zwei Jahre nach Frankreich, um mein Abitur zu machen. Auf Deutschland habe ich nach diesen Erlebnissen einfach keine Lust mehr. Wenn ihr noch Fragen habt, schreibt einfach eine Mail, ich werde jede beantworten und würde mich gerne mit euch über ein Austauschjahr unterhalten. Ich habe viel gelernt und werde dieses Jahr bestimmt nie wieder vergessen.

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